Am 19. Juni 1867 stand ein Habsburger vor einem Erschießungskommando in Querétaro, Mexiko. Kaiser Maximilian I., Bruder des österreichischen Kaisers Franz Joseph, hatte jedem Soldaten des Exekutionskommandos ein goldenes Zwanzigpesostück geschenkt. Dann bat er sie, auf seine Brust zu zielen, damit seine Mutter sein Gesicht noch würde sehen können. Drei Salven später war sein Traum vom mexikanischen Kaiserreich beendet.
Was aber geschah mit seinem Vermögen, seinen Juwelen, seiner Krone? Mehr als 150 Jahre später ranken sich um diese Frage Legenden, die zwischen Texas und Mexiko kursieren – eine wilde Mischung aus verbrieften Tatsachen und abenteuerlichen Mythen.
Ein Kaiser ohne echte Krone
Die Wahrheit über Maximilians Krone beginnt mit einer Enttäuschung: Es gab sie vermutlich nie. Keine historische Quelle erwähnt eine prunkvolle Krönungszeremonie, bei der Maximilian eine juwelenbesetzte Kaiserkrone auf das Haupt gesetzt wurde. Als der 31-jährige Habsburger am 10. April 1864 auf Schloss Miramare bei Triest die mexikanische Kaiserwürde annahm, geschah dies durch eine einfache Proklamation.
Maximilian ließ sich zwar auf Münzen mit einer stilisierten Kaiserkrone über seinem Wappen darstellen – Gold- und Silbermünzen, die heute bei Sammlern begehrt sind. Doch diese Krone existierte nur als Symbol, nicht als greifbares Objekt. Das zweite mexikanische Kaiserreich war ein Konstrukt französischer Machtpolitik, hastig zusammengezimmert und von Anfang an auf Sand gebaut.
Der Mann, der alles verlor
Maximilian war der zweitgeborene Sohn, intellektuell brillant, künstlerisch begabt, ein Träumer. Als Konteradmiral hatte er die österreichische Kriegsmarine modernisiert, als Generalgouverneur von Lombardo-Venetien repräsentative Aufgaben übernommen. Doch nach der Niederlage bei Solferino 1859 zog er sich nach Schloss Miramare zurück – ein Prinz ohne Aufgabe.
Da kam das Angebot Napoleon III. wie gerufen. Frankreich hatte in Mexiko militärisch interveniert, nachdem Präsident Benito Juárez die Schuldenrückzahlung eingestellt hatte. Eine konservativ-klerikale Minderheit suchte einen europäischen Monarchen. Die Wahl fiel auf Maximilian.
Was er nicht wusste: Der ihm präsentierte Volksentscheid war gefälscht. Die Mehrheit der Mexikaner unterstützte weiterhin Juárez. Maximilian wurde Herrscher eines gespaltenen Landes, das ihn nicht wollte.
Drei Jahre zwischen Hoffnung und Untergang
In Mexiko-Stadt versuchte Maximilian, seine Vision eines liberalen, modernen Kaiserreichs zu verwirklichen. Er ließ den Paseo de la Reforma anlegen – eine Prachtstraße nach Pariser Vorbild, die bis heute das Stadtbild prägt. Er förderte Kunst und Bildung, setzte sich für die indigene Bevölkerung ein.
Doch die Realität holte ihn ein. Seine liberalen Reformversuche verärgerten die konservativen Kreise, die ihn ursprünglich gewollt hatten. Die Republikaner unter Juárez gewannen an Boden. Als die USA 1866 Frankreich zum Truppenabzug zwangen, stand Maximilian plötzlich ohne militärischen Schutz da.
Seine Frau Charlotte reiste verzweifelt nach Europa, um bei Napoleon III., Papst Pius IX. und Kaiser Franz Joseph um Hilfe zu bitten. Vergeblich. In Paris erlitt sie einen mentalen Zusammenbruch, von dem sie sich nie erholte. Sie sollte bis 1927 leben – 60 Jahre länger als ihr Mann, in geistiger Umnachtung.
Die Legende vom verschollenen Schatz
Hier beginnt der Mythos. Laut amerikanischen Schatzlegenden soll Maximilian in seinen letzten Tagen versucht haben, sein Vermögen außer Landes zu schaffen. Die Geschichte, die in Texas bis heute erzählt wird, klingt wie ein Abenteuerroman: 15 Ochsenkarren, beladen mit 10 Millionen Dollar in Gold, Silber und Juwelen – getarnt als Mehlsäcke. Vier österreichische Offiziere und mexikanische Loyalisten sollen den Schatz nordwärts nach Texas gebracht haben, zur Hafenstadt Galveston.
Am Rio Grande trafen sie auf sechs ehemalige Soldaten der Konföderierten, die nach Mexiko flohen, um sich nicht der Yankee-Herrschaft zu unterwerfen. Man heuerte sie als Begleitung an. Doch irgendwo zwischen dem Horsehead Crossing am Pecos River und Castle Gap – einer tiefen Schlucht zwischen Castle Mountain und King Mountain – soll das Verhängnis seinen Lauf genommen haben.
Die Version, die in den Saloons von West-Texas kursiert: Die sechs Missourier töteten die österreichischen Offiziere und versteckten die Beute. Dann überfielen Komanchen das Lager. Fünf Männer starben. Der letzte Überlebende schleppte sich bis Fort Concho, schwer verwundet und dem Tode nah.
Einem Arzt namens Black soll er auf dem Sterbebett eine grobe Karte gezeichnet haben – mit Markierungen, wo der Schatz vergraben lag. Der Doktor organisierte Monate später eine Suchexpedition. Doch die Sandstürme von West-Texas hatten die Landschaft verändert. Sie fanden nichts.
Was die Fakten sagen
Nüchtern betrachtet spricht vieles gegen diese Legende. Maximilian kämpfte bis Mitte Mai 1867 um seine Herrschaft. Als er am 15. Mai in Querétaro kapitulierte, blieb kaum Zeit für aufwendige Schatztransporte. Wahrscheinlicher ist, dass – falls überhaupt Vermögen verschifft wurde – dies nach seiner Gefangennahme durch einen seiner Generäle geschah.
Zudem: Die Häfen waren in republikanischen Händen. Warum sollte man den gefährlichen Landweg durch Texas wählen, wenn der nähere Hafen Veracruz existierte? Die Antwort der Schatzsucher: Genau deshalb. Veracruz war unsicher.
Historisch verbürgt ist nur wenig von Maximilians persönlichem Besitz. Im Wiener Heeresgeschichtlichen Museum werden seine Totenmaske, persönliche Orden und die Standarte seines Husarenregiments aufbewahrt. 2020 wurde bei einer Auktion ein prachtvoller Orden vom Mexikanischen Adler versteigert – besetzt mit Diamanten und Jade, sein persönliches Großkreuz als Ordenssouverän. Es erzielte 186.300 Euro.
Zwischen Geschichte und Schatzsuche
Seit 150 Jahren wird der angebliche Schatz gesucht. Rancher in Texas berichten von nächtlichen Sprengungen auf ihrem Land, von Schatzsuchern mit Metalldetektoren, von geheimnisvollen Karten. Einige glauben, der Schatz wurde längst gefunden – von jemandem, der schweigen konnte.
Eine besonders bizarre Wendung nahm die Legende 1937, als ein Mann namens Doc Noss behauptete, in den San Andres Mountains von New Mexico einen Schatz gefunden zu haben – darunter angeblich die juwelenbesetzte Krone von Kaiserin Charlotte. Viele halten Doc Noss für einen Betrüger, der nur Aktien für Ausgrabungen verkaufen wollte.
Eine andere Version vermutet Maximilians Schatz auf dem Grund des Golfs von Mexiko: Das Schiff „Mérida“ sank 1911, und Gerüchte besagten, es habe Charlottes Kronjuwelen an Bord gehabt. Auch diese Geschichte gilt als Spekulation.
Das wahre Vermächtnis
Was bleibt von Maximilian? In Mexiko wird er ambivalent betrachtet. Er war ein Fremdherrscher, aufgezwungen durch französische Bajonette. Gleichzeitig war er ein gebildeter Mann mit liberalen Ideen, der ernsthaft versuchte, das Land zu modernisieren. Bis heute werden bei mexikanischen Hochzeiten manchmal Münzen mit seinem Bildnis verteilt – damit das Brautpaar mehr Glück haben möge als der unglückliche Kaiser.
In Wien liegt er in der Kapuzinergruft begraben. Die Überführung seiner Leiche 1868 war ein Albtraum: Die mexikanischen Ärzte hatten bei der Einbalsamierung gestümpert, das Schutzglas des Sarges war auf der Reise zerbrochen. Als Maximilians Mutter Sophie den Sarg öffnete, rief sie entsetzt: „Das ist nicht mein Sohn!“
Einige Verschwörungstheoretiker behaupteten daraufhin, Maximilian sei heimlich begnadigt worden und habe bis 1936 unter dem Namen Justo Armas in El Salvador gelebt. Belege gibt es dafür keine.
Schatz oder Phantom?
Die Frage nach der verschollenen Krone von Maximilian lässt sich letztlich so beantworten: Die Krone als physisches Objekt hat es höchstwahrscheinlich nie gegeben. Was existiert, sind symbolische Darstellungen auf Münzen und in Wappen – und eine hartnäckige amerikanische Schatzlegende, die mehr über die Faszination für verborgene Reichtümer aussagt als über historische Realitäten.
Ob irgendwo in Texas tatsächlich Ochsenkarren voller Gold vergraben liegen? Maximilians Leben war geprägt von Illusionen – von einem Kaiser ohne Volk, einem Reich ohne Fundament, Versprechungen ohne Substanz. Dass auch sein angeblicher Schatz in diese Kategorie fällt, würde zur Tragik dieser Figur passen.
Das wahre Gold, das Maximilian hinterließ, findet sich nicht in texanischen Sandstürmen. Es liegt in den Straßen von Mexiko-Stadt, die er gestalten ließ, in den Museen, die er förderte, in der Erinnerung an einen Mann, der für einen Traum alles riskierte – und alles verlor. Auch das gehört zur Geschichte: dass manchmal die Legenden größer sind als die Wahrheit, und dass Menschen noch Jahrhunderte später nach etwas suchen, das vielleicht nie existiert hat.





