Der Schatz der Flor de la Mar: Was weiß man wirklich?

Eine offene Schatztruhe mit Goldmünzen liegt auf dem Meeresboden in der Nähe von lebhaften Korallen, während das Sonnenlicht durch das Wasser darüber fällt - vielleicht die verlorene Beute der Flor de la Ma.

Der wertvollste verlorene Schatz der Welt liegt irgendwo vor der Küste Sumatras auf dem Meeresgrund. Seit über 500 Jahren suchen Abenteurer danach – und finden nichts. Die Geschichte der Flor de la Mar ist eine Erzählung über Gier, Hybris und ein Geheimnis, das die Ozeane bis heute bewahren.

Ein Schiff mit Problemen

Die Flor de la Mar – „Blüte des Meeres“ – war schon zu ihrer aktiven Zeit berüchtigt. 1502 in Lissabon vom Stapel gelassen, war sie mit 400 Tonnen und 38 Metern Länge fast doppelt so groß wie andere Schiffe auf der Gewürzroute. Ein kolossales Frachtschiff für eine Ära, in der Schiffe üblicherweise nur drei bis vier Jahre hielten.

Die Flor de la Mar hielt länger. Aber zu welchem Preis. Das Schiff leckte ständig, war schwer zu manövrieren und musste alle paar Monate repariert werden. Ihre erste Fahrt 1502 unter Estevão da Gama – einem Cousin des berühmten Vasco da Gama – verzögerte sich bereits erheblich. Ein Jahr später benötigte sie eine mehrmonatige Zwangspause, um überhaupt seetüchtig zu bleiben.

Trotzdem setzte Portugal das Schiff weiter ein. Es nahm an Eroberungen teil: Sokotra, Hormuz, die Schlacht von Diu, die Eroberung von Goa. Die Flor de la Mar war zur mobilen Festung geworden, ein schwimmender Widder des portugiesischen Kolonialismus. Und genau diese Reputation sollte ihr zum Verhängnis werden.

Die Plünderung von Malakka

Im August 1511 eroberte Afonso de Albuquerque, Gouverneur von Portugiesisch-Indien, die Stadt Malakka. Es war einer der reichsten Häfen Asiens, ein Knotenpunkt zwischen Indischem Ozean und dem Südchinesischen Meer. Gold, Silber, Edelsteine, Seide, Gewürze – die Portugiesen plünderten systematisch, was sie finden konnten.

Albuquerque ließ die Beute auf die Flor de la Mar laden. Das war keine zufällige Entscheidung, sondern eine bewusste: Das größte Schiff sollte den größten Schatz nach Lissabon bringen, als persönliches Geschenk an König Manuel I. von Portugal. Hinzu kamen Tribute des Königs von Siam und Albuquerques gesamtes Privatvermögen. Zeitgenössische Quellen beschreiben die Ladung als überwältigend: Goldbarren, Diamanten, Rubine, chinesisches Porzellan, mit Blattgold überzogene Statuen. Besonders legendär sind zwei lebensgroße Löwenfiguren aus massivem Gold, ein Geschenk des chinesischen Kaisers an den Sultan von Malakka.

Historiker schätzen den Wert heute auf mindestens zwei Milliarden Dollar. Manche sprechen von bis zu sieben Milliarden. Es wäre der größte je verlorene Schatz unter Wasser.

Die letzte Fahrt

Albuquerques Kapitäne rieten ab. Die Flor de la Mar war alt, instabil und hoffnungslos überladen. Es war November – Monsunzeit. Die Straße von Malakka galt als heimtückisch. Aber Albuquerque bestand darauf. Vielleicht trieb ihn politischer Druck, den Schatz so schnell wie möglich nach Lissabon zu schaffen. Vielleicht war es Ungeduld. Vielleicht Hybris.

Am 20. November 1511 geriet das Schiff vor der Nordküste Sumatras in einen Sturm. Die Flor de la Mar, vollgestopft mit Reichtümern und ohnehin leck, hatte keine Chance. Sie versuchte, Zuflucht an der Küste zu suchen, doch die Wellen waren zu heftig. Das Schiff zerbrach in zwei Teile und sank.

Die meisten der Besatzung ertranken. Albuquerque überlebte, indem er sich an Wrackteilen festklammerte. Der Schatz jedoch verschwand in der Tiefe.

Was geschah wirklich?

Hier beginnen die Rätsel. Es gibt mehrere Versionen der Geschichte. Ein zeitgenössischer Bericht behauptet, das Schiff sei nur teilweise gesunken. Einheimische hätten alles geborgen, was Wasser nichts anhaben konnte. Eine andere Theorie: Albuquerque ließ das Schiff absichtlich stranden und entkam mit dem Schatz, anstatt ihn dem König auszuhändigen.

Die wahrscheinlichste Erklärung ist banal und frustrierend zugleich: Der Schatz versank und wurde von Strömungen fortgetragen oder von Sedimenten begraben. Möglicherweise haben javanische Arbeiter auf einem begleitenden Schiff gemeutert und Teile der Ladung geraubt. Albuquerque kehrte später mit einer Karavelle zur Unglücksstelle zurück und ließ Perlentaucher nach dem Wrack suchen. Sie fanden nichts.

Oder sie schwiegen.

Die Jagd auf den Schatten

Seit dem 16. Jahrhundert wird nach der Flor de la Mar gesucht. Dutzende Expeditionen, Millionen von Dollar investiert. Moderne Technologie hat die Suche nicht einfacher gemacht – im Gegenteil. Die Ostküste Sumatras ist geologisch instabil. Erdbeben, Tsunamis, Sedimentverschiebungen: Die Küstenlinie heute sieht völlig anders aus als 1511.

1992 behauptete der amerikanische Schatzsucher Bob Marx, das Wrack gefunden zu haben. Nach nur drei Tagen. Das Projekt wurde gestoppt, bevor es zu einer Bergung kam. Marx lieferte nie Beweise. 2010 fand der Explorer Rick Langrehr eine silberne Tanka-Münze in der Nähe von Diamond Point. War es ein Hinweis? Oder Zufall?

Der deutsche Schatzsucher Klaus Keppler nannte die Flor de la Mar seinen „Traum“. Er schätzte allein die Ausrüstung für eine Bergung auf sechs Millionen Euro. Doch auch er kam nicht zum Ziel.

Bis heute gibt es keine bestätigte Entdeckung. Keine Wrackteile. Keine goldenen Löwen. Nichts.

Warum findet man sie nicht?

Die Antwort könnte in der Geografie liegen. Die Straße von Malakka ist eine der am stärksten befahrenen Wasserstraßen der Welt. Schlammig, flach, voller Sandbänke. Hunderte von Wracks liegen dort, viele unidentifiziert. In 500 Jahren hat sich die Küste fundamental verändert. Selbst wenn das Wrack noch existiert, könnte es unter Metern von Sediment begraben sein – oder längst von Gezeiten zerstört.

Ein weiteres Problem: Manche Schatzsucher lügen. Sie behaupten Entdeckungen, um Investoren anzulocken. Andere horten Informationen, um Konkurrenz auszuschalten. Die Jagd nach der Flor de la Mar ist ein Geschäft, in dem Gier und Geheimnisse regieren.

Was bleibt?

In Malakka, Malaysia, steht eine exakte Nachbildung der Flor de la Mar. 36 Meter hoch, aus Holz gezimmert, ein Monument für ein Schiff, das niemals zurückkehrte. Touristen fotografieren es. Kinder spielen davor. Die Flor de la Mar ist längst Teil der Folklore geworden.

Vielleicht ist das die einzige Wahrheit, die zählt: Die Flor de la Mar war ein Kriegsschiff, das Reichtümer plünderte, die ihm nicht gehörten. Der Schatz, den sie transportierte, stammte aus der Unterwerfung eines fremden Volkes. Dass er im Meer verschwand, ist historische Ironie.

Ob das Wrack je gefunden wird, ist fraglich. Die Technologie verbessert sich, aber auch die Verschüttung nimmt zu. Vielleicht liegt der Schatz längst unter einem Hafen oder einer Straße an Land, verschollen für immer.

Was bleibt, ist eine Geschichte. Und Geschichten haben einen Wert, der sich nicht in Gold beziffern lässt – sie halten die Neugier am Leben. Solange Menschen von der Flor de la Mar erzählen, existiert sie weiter. Nicht als Schiff, sondern als Legende.

Und vielleicht ist das am Ende mehr wert als jeder Goldbarren.

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Der Stein des Schicksals

Durch halb Europa geht die atemlose Jagd und die Überraschung am Ende bleibt nicht aus: Ein Verschwörung, die in den letzten Tagen des ersten Weltkriegs ihren Anfang nimmt. Dich erwarten Spannung, überraschenden Wendungen und eine gehörige Portion Humor.

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Roberts & Maclay

Aus der Feder von Roberts & Maclay stammen nicht nur die täglichen History Snacks, sondern auch erfolgreiche Bestseller-Buchserien wie die „Tom Wagner Abenteuer“ und die „François Cloutard Coups“.